Für den perfekten Schnitt feilen die Hersteller laufend an ihren Produkten, denn die grosse Materialvielfalt in den Schreinereien verlangt den Sägeblättern einiges ab. Eine neue Technologie aus China könnte nun aber einen Quantensprung für die Branche bedeuten.
Wer sich in der Schweiz auf die Suche nach einem Kreissägeblatt aus heimischer Produktion macht, wird es nicht einfach haben. «Früher gab es durchaus Schweizer Hersteller», sagt Roman Riedberger, Leiter Marketing und Verkauf bei der Arnold Hohl AG in Lütisburg SG. «Manch einem Schreiner sind vielleicht noch die Monta-Sägeblätter bekannt. Aber auch Oertli hatte mal eigene Produkte.»
Inzwischen sei der Produktionsstandort Schweiz aber fast undenkbar, wie Daniel Sigrist, Inhaber und Geschäftsführer der Sigrist & Müller AG in Rafz ZH, ergänzt. Die Kosten für Personal, Rohmaterial und Energie bei der Herstellung von Standardsägeblättern seien gegenüber den Verkaufs- und Einkaufspreisen schlicht zu hoch. «Mit dem starken Franken ist es viel interessanter, die Sägeblätter zu importieren», sagt Sigrist. Bei Werkzeug, das vom Standard abweicht, sieht es hingegen wieder anders aus. So produziert beispielsweise Leuco weiterhin Spezialsägeblätter am Standort in St. Margrethen SG unter dem Prädikat «Made in Switzerland».
Gleichzeitig macht auch die Globalisierung vor der Sägeblattbranche nicht halt. So nimmt der Druck durch chinesische Produkte in der Schweiz, aber auch auf dem europäischen Markt, stark zu. Preislich seien die Werkzeuge aus Asien ohnehin schon lange attraktiv. «Inzwischen liefern auch chinesische Hersteller Sägeblätter, die den europäischen Produkten zumindest ebenbürtig sind», sagt Riedberger. Da müsse man schon aufpassen, dass die Produktionsplätze in Europa beibehalten werden können. «Wenn sich die Produktion sowie das Know-how nach Asien verlagern, manövrieren wir uns in eine grössere Abhängigkeit rein, als wir ohnehin schon sind. Corona hat gezeigt, wie schnell es zu einer Lieferkrise kommen kann», sagt Riedberger.
In den Schreinereien werden heute die unterschiedlichsten Werkstoffe bearbeitet. Spezielle Beschichtungen, Dekore oder Materialkombinationen stellen die Werkzeughersteller zuweilen vor Herausforderungen. «Die Sägeblatthersteller haben laufend Kontakt mit den grossen Maschinen- und Plattenproduzenten, um die kommenden Anforderungen an das Werkzeug früh zu kennen», sagt Daniel Sigrist. «Dennoch werden oft auch Sonderlösungen für die Bearbeitung von Mischmaterial nachgefragt. In einem solchen Fall können Schnittwinkel und Zahnformen individuell auf ein bestimmtes Material angepasst werden.»
Die grosse Materialvielfalt weckt bei manchem Schreiner aber auch den Wunsch nach universellen Sägeblättern. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Werkzeugwechsel zwischen dem Zuschnitt verschiedener Werkstoffe können reduziert werden oder fallen gar ganz weg.
Vor rund zehn Jahren wurden etwa das «nn-System»-Sägeblatt von Leuco, das «WhisperCut» von Leitz sowie das «SuperSilent» von AKE als universale Werkzeuge für die verschiedensten Materialien beworben. Charakteristisch für diese Sägeblätter sind die sehr kleinen Spanräume, die für eine deutliche Lärmreduktion im Leerlauf und Betrieb sorgen. «Am richtigen Ort und mit geschultem Personal eingesetzt, funktionieren diese Sägeblätter durchaus in vielen Materialien», sagt Sigrist. «Aufgrund der Bauform sind die Blätter aber auch heikler in der Anwendung.» So haben die kleinen Spanräume beispielsweise Nachteile bei der Spanabfuhr, und die kleinen Zähne können beim seitlichen Flankenschnitt zu mehr Reibung und Wärme am Grundkörper führen. «Durch die kleine Bestückung können die Sägeblätter zudem nicht oft nachgeschärft werden», sagt Roman Riedberger. «Unter anderem deshalb haben sich die Blätter nicht wirklich durchgesetzt, und der Standard sind weiterhin die bekannten Zahnformen.»
Bei den Herstellern geht das Tüfteln an universell einsetzbaren Sägeblättern weiter. So ist zum Beispiel das neue Plattensägeprogramm «Boardline» von AKE für einen breiten Materialmix ausgelegt. Wie das Unternehmen schreibt, kann das Sägeblatt bei Werkstoffen wie Sperrholz- und Dreischichtplatten, OSB, Gipsfaserplatten, beschichteten Span- und Mulitplex- sowie HPL-Platten eingesetzt werden. Im Vergleich zu Standard-Plattensägeblättern soll eine neue Hartmetallgeneration für eine durchschnittliche Steigerung der Standwege von 30 % und beim «Boardline Pro+» gar für 70 % sorgen. Letzteres eignet sich laut Hersteller besonders für abrasives Material. Zur «Boardline»-Familie gehört zudem ein Vorritzer, passend zu den Hauptsägen. In der Schweiz werden die AKE-Werkzeuge vertreten durch die Sigrist & Müller AG.
Ebenfalls eine Vielzahl von Werkstoffen abdecken sollen die Sägeblätter der DLT Saw GmbH. Die angepriesenen Schnittleistungen der diamantbestückten Sägen scheinen fast zu gut, um wahr zu sein: ausrissfreie Schnitte ohne Vorritzen in beschichteter Spanplatte, HPL, HDF, furnierten Platten und Acrylglas sowie Mineralwerkstoffen bei gleichzeitig deutlich reduzierter Lärmentwicklung und höherem Vorschub. Auch qualitativ hochwertige Schnitte in Massivholz sollen mit einem Dia-Blatt des Herstellers möglich sein. Etwas, was aufgrund der durch die Härte des Materials bedingten stumpfen Schnittwinkel bisher undenkbar war.
Dass diese Sägeblätter halten, was sie versprechen, weiss Remo Inderbitzin, Geschäftsleitungsmitglied der Inderbitzin AG im Muotathal SZ und Geschäftsführer der DLT Saw GmbH. Er spricht sogar von einer Revolution in der Sägebranche, denn der Hersteller setzt bei der Produktion und dem Schärfen der Sägeblätter auf eine völlig neue Technologie aus China. So wird der Diamant nicht wie bisher üblich erodiert, sondern mittels Laser bearbeitet. «Mit der Laserbearbeitung sind Zahnformen möglich, die bisher undenkbar waren. Zudem sind die Zähne schnittiger als bei herkömmlichen Produktions- und Schärfverfahren», sagt Inderbitzin.
Bisher wurde die Oberflächenrauheit an der Schnittkante durch die Korngrösse des Diamanten vorgegeben. So werden beim Erodieren mithilfe eines Lichtbogens einzelne Diamantstaubkörner aus der Oberfläche der Schneide herausgelöst. Mit dem Laser kann der diamantbestückte Sägezahn nun aber geschnitten werden, was eine glattere Oberfläche ergibt und entsprechend auch eine höhere Schnittigkeit.
«Die Zahnformen sind zudem symmetrisch ausgebildet, was einen positiven Einfluss auf die Laufruhe hat», sagt Inderbitzin. Bei einem herkömmlichen Wechselzahnblatt erzeugen die einzelnen Zähne einen entsprechenden Schnittdruck auf entgegengesetzten Seiten, was zu Vibrationen führt. Beim «MMT-Sägeblatt» sorgt eine symmetrische Zahngeometrie dafür, dass die Späne mehrfach geteilt werden.
«Die Schnittleistung und die geringen Vibrationen in Massivholz sind verblüffend», sagt Inderbitzin. Zurzeit seien die Sägeblätter bei einem Kunden aus der Region auf einer Vielblattsäge im Einsatz. «Gegenüber den herkömmlichen Blättern konnte der Vorschub verdoppelt werden, bei gleichzeitig um 25 % geringerer Stromaufnahme und einer Lärmreduktion von 15 dB», sagt Inderbitzin.
Erstmals an der vergangenen Ligna auf die Sägeblätter und die Technologie aufmerksam geworden, hat die Inderbitzin AG inzwischen einen Partnerschaftsvertrag mit dem chinesischen Unternehmen. Daraus ist die DLT Saw GmbH entstanden. Um den europäischen Raum beliefern zu können, befindet sich eine Tochterfirma in Deutschland zurzeit in der Gründung. «Mittlerweile sind auch Unternehmen wie Striebig, Weinig oder Rotox involviert», sagt Inderbitzin.
Ebenfalls von dem Potenzial der Sägeblätter überzeugt ist Roman Riedberger, der sich mit seinem Unternehmen den Vertrieb für die Ostschweiz gesichert hat. «Es ist eine völlig neue Technologie, die die Chinesen nun mal haben. Das können wir verteufeln oder schauen, dass wir das Know-how in die Schweiz holen können», sagt Riedberger. Zurzeit seien mehrere Sägeblätter bei ausgewählten Kunden im Einsatz, und es wird laufend Feedback gesammelt. Dieses sei bisher durchwegs positiv.
«Das ‹Kunlun›-Sägeblatt erlaubt ausrissfreie Schnitte in einer Spanplatte ohne den Einsatz eines Vorritzers, und dies mit einer Standzeit von Diamant. Das ist schon krass», sagt Riedberger. Die neue Technologie hat allerdings noch ihren Preis. So kostet das «MMT-Sägeblatt» mit 303 mm Durchmesser rund 1400 Franken exkl. Mwst., und ein Blatt mit der «Kunlun»-Zahnform bei gleichem Durchmesser gar 1700 Franken.
Einen kleinen Haken gibt es zudem noch, denn zurzeit gibt es in der Schweiz und in Europa noch keine Maschine, um die Sägeblätter nachzuschärfen. Das soll sich aber bald ändern, wie Remo Inderbitzin sagt. «In den nächsten Wochen kommt die erste Maschine mit der neuen Lasertechnologie in die Schweiz. Dann können wir erste Erfahrungen mit dem Schärfprozess sammeln.»
Roman Riedberger schaut mit gemischten Gefühlen auf die neue Technologie. Stand jetzt seien die Sägeblätter wirklich so gut, wie sie versprechen. Das bedeute aber auch, dass mit Sicherheit der Umsatz bei den Hartmetall-Sägeblättern einbrechen wird. «Technologie kannibalisiert sich mit der Weiterentwicklung allerdings schon immer selbst, das ist in unserer Branche nichts Neues», sagt Riedberger.
Sven Bürki; Veröffentlichung: 21. November 2024 / Ausgabe 47/2024