Fachwissen

KI: Chancen & Möglichkeiten für Schreinereien

In Verbindung mit den richtigen Partnern kann die künstliche Intelligenz bereits heute Schreinereien bei repetitiven und standardisierten Arbeiten unterstützen. Dieses Praxisbeispiel zeigt die aktuellen Möglichkeiten und Chancen auf.

Die künstliche Intelligenz (KI), aus dem Englischen auch oftmals als Artificial Intelligence (AI), also artifizielle oder nachahmende Intelligenz bezeichnet, übernimmt immer mehr repetitive Aufgaben in unserem Alltag. Sie stellt uns unser TV-Programm zusammen, sorgt dafür, dass Siri und Alexa unsere Sprache erkennen, analysiert den Verkehrsfluss auf unseren Strassen oder generiert unsere Texte, Bilder und Codes. Für den Einsatz in einem Produktionsablauf, wie zum Beispiel einer Schreinerei, würde sich die KI also für viele repetitive und administrative Arbeitsprozesse eignen und könnte diese durch den stetigen Lernprozess sogar optimieren. Als die Killer Interior AG aus dem aargauischen Lupfig sich vor rund drei Jahren dazu entschied, ihren Rechnungsworkflow zu digitalisieren, war zuerst die Anschaffung eines klassischen Datenmanagementsystems (DMS) vorgesehen. Durch die hohe Individualität des Unternehmens und die damit verbunden wechselnde Anzahl von Kreditoren wäre der Unterhalt eines klassischen DMS zu hoch gewesen. «Als wir uns umschauten, stellten wir fest, dass die Digitalisierung des Rechnungsworkflows für viele Unternehmen lediglich das Einscannen und Ablegen der Rechnung als PDF bedeutet. Für uns reichte das überhaupt nicht aus, und wir hatten höhere Anforderungen an das Thema», sagt Adrian Lüscher, Leiter Services bei Killer. Auf der Suche nach alternativen Möglichkeiten wurde das Unternehmen auf die KI-Software eines Start-ups der ETH aufmerksam, welche bei der automatischen Auslesung von Dokumenten eine Trefferquote von über 70 % erreichte. Zusammen mit der Borm- Informatik AG aus Schwyz, welche die ERP-Software bereitstellt, konnte der gesamte Rechnungsworkflow digitalisiert und vereinfacht werden.

ERP im Zentrum der Daten

Zu Beginn der gemeinsamen Projektentwicklung galt es ergänzend zum bestehenden Rechnungsworkflow, die Möglichkeiten und Anforderungen der KI-Verarbeitung zu analysieren und darzulegen. «Das war ein gemeinsames Projekt aller involvierter Partner», sagt Luca Föhn, COO bei der Borm- Informatik AG. Es ist erstaunlich, welche Wege ein Dokument in einem Unternehmen zurücklegt und wer alles von den Mitarbeitenden involviert ist. Beim neuen Workflowprozess fungiert die ERP-Software als Master, in welchem alle Daten verwaltet, abgeglichen und ausgelesen werden können. «Dieser Aufbau ermöglicht es, die künstliche Intelligenz mit vergleichsweise geringen Datenmengen zu nutzen und trotzdem eine treffsichere Automatisierung durchzuführen», so Föhn.

Vereinfachter Workflow

Der neue Ablauf ist durch den Einsatz der KI viel einfacher aufgebaut und macht den Rechnungsworkflow dadurch sehr übersichtlich. In einem ersten Schritt werden die Dokumente zur KI-Software hochgeladen. Rechnungen per Mail können dabei direkt hochgeladen werden, und Papierrechnungen werden zuerst noch eingescannt. Anschliessend analysiert die KI die Dokumente und macht die benötigten Zuweisungen und Abgleiche. Lieferanten, Bestellpositionen, Liefertermine, Mengenangaben etc. werden mit den hinterlegten Daten im ERP abgeglichen. Durch das maschinelle Lernen wird dieser Prozess mit jedem Dokument verbessert, und repetitive Vorkommnisse können erkannt werden.

Optische Kontrollprüfung

Zur einfachen Kontrolle der von den mittels KI analysierten Dokumenten werden diese nebeneinander dargestellt. Abweichungen zwischen Preisanfragen, Auftragsbestätigungen, Lieferscheinen oder den Rechnungen werden optisch ersichtlich und müssen zusätzlich von Hand bestätigt oder bereinigt werden. «Alle Übereinstimmungen werden grün und alle Abweichungen rot dargestellt. So ist es für uns sehr einfach, die Übereinstimmung sowie Korrektheit der Dokumente zu überprüfen», sagt Adrian Lüscher. Durch die besagte Lernfähigkeit der KI merkt sich die Software wiederkehrende Ereignisse und ordnet diese nach dem eingelernten Muster ein. «Nach zirka einem halben Jahr machte die KI-Software bei der Lieferantenerkennung und den Kopfdaten praktisch keine Fehler mehr. Lediglich bei speziellen Rechnungen, beispielsweise mit verschiedenen Rabattstufen, benötigt es noch manuelle Handgriffe», sagt Lüscher.

Unterstützter Mehrwert

Die KI-unterstützte Digitalisierung der Auftragsbestätigungen, Lieferungen und Kreditoren hat im Unternehmen viele Fleissarbeiten eliminiert. Die rund 1000 Lieferantenrechnungen, die jedes Jahr anfallen, werden praktisch autonom durch den von KI unterstützten Workflow geleitet. Dabei fallen auch viel weniger physische Dokumente an. «Wir konnten alle anfallenden Dokumente im Rechnungsworkflow digitalisieren, und es müssen intern keine Unterlagen mehr abgelegt werden», sagt Lüscher. Nur wenn die Kundschaft ausdrücklich Dokumente in Papierform verlangt, werden diese noch ausgespielt. «Das ist eine wichtige Dienstleistung im Rahmen unserer Kundenorientierung. Intern sind Dokumente in Papierform für uns jedoch kein Thema mehr», ergänzt Lüscher. Auch der Revisor hat laut Lüscher bei der jährlichen Prüfung die Dokumente in Papierform nicht vermisst.

Mittels automatischer Erkennung der Dokumentinhalte weist die KI die Bestellinformationen korrekt zu und vereinfacht so die Folgeprozesse, wie das Controlling, die Zahlungen und die Ablage. «Dank dieser Erleichterung kann das Unternehmen seinen Fokus auf die Kernprozesse und die Wertschöpfung legen», sagt Föhn.

Implementierung und Einbezug

Der neue Workflow für Lieferantenrechnungen ist ein laufender Prozess, den die Killer Interior AG ganz genau plante und dafür sorgte, dass alle betroffenen Mitarbeitenden frühzeitig abgeholt wurden. Im ersten Prozessjahr wurden die Dokumente zusätzlich noch wie gewohnt analog abgelegt. «So hatten wir den doppelten Boden, falls etwas nicht funktioniert hätte», sagt Lüscher. Vor der Einführung wurden dann über einen Monat hinweg die Auftragsbestätigungen parallel eingelesen und erfasst, wodurch die KI bereits lernen konnte und der Workflow eingeübt wurde. Parallel zur Einführung wurden Schulungen für die Mitarbeitenden durchgeführt, wobei der zukünftige Workflow aufgezeigt und eingeübt wurde. Nach den Schulungen konnte die gesamte Belegschaft gestaffelt den neuen Workflow nutzen. «Es war von Anfang an sehr wichtig, alle Abteilungen mit Berührungspunkten abzuholen. So sassen die Buchhaltung und die IT-Abteilung mit den Zuständigen für das ERP und die KI-Software am selben Tisch und konnten ihre Bedürfnisse platzieren», sagt Lüscher.

Die erfolgreiche Implementierung dieses KI-unterstützten Workflows stellt automatisch die Frage in den Raum, wo die künstliche Intelligenz sonst noch genutzt werden könnte. Hier eignen sich momentan vor allem repetitive und standardisierte Aufgaben sowie Prozesse. «Es ist generell wichtig, dass der Mensch die KI überwachen und Handlungen noch bestätigen kann», sagt Luca Föhn. Aber standardisierte Arbeitsschritte, wie das Erstellen von Einstiegs- und Positionstexten bei Angeboten, Zusammenzüge von Positionen, Angebotserfassungen oder eben das Abgleichen von Lieferantenrechnungen, sind prädestiniert für den zukünftigen Einsatz von künstlicher Intelligenz.

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