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Gut geplant – leichter gemacht
Auf Baustellen herrscht oft ein Chaos, zudem muss die Ware vielfach mühsam und ungünstig verteilt werden. Damit die Montage vor Ort nicht zum Rohrkrepierer wird, ist eine durchdachte Planung wichtig. Wertvolle Hilfsmittel aus der Praxis unterstützen hier.
Wer kennt es nicht? Montagmorgen, auf einer Baustelle irgendwo in der Schweiz. Die vorproduzierten Einbauschränke sollen abgeladen und in den dafür vorgesehenen Wohnungen verteilt werden. Leider aber ist der Zugang zum Bau erschwert, weil die Umgebungsarbeiten und Wege noch nicht fertiggestellt sind, womit es auch keine Zufahrtsmöglichkeit gibt. Was bedeutet, dass sämtliches Material beim Lastwagen ausgeladen, mühsam von Hand und ohne Palettenrolli über ein paar notdürftig herbeigeschaffte Schalungsbretter verteilt werden muss. Zu allem Übel möchten der Maurer und die Malerin gleichzeitig Material abladen und verteilen. Als ob das ohnehin nicht genug wäre, ist auch der Fassadenlift schon abgebaut, und der Innenlift darf für den Materialtransport nicht benützt werden. Was nach viel Stress und Ärger klingt, ist nicht frei erfunden, sondern spielt sich leider auf etlichen Baustellen ab.
Bauen beginnt beim Planen
Zweifelsfrei sind Organisation und Koordination einer Baustelle komplex, mit vielen Aspekten, die zu berücksichtigen sind. Gewöhnlich sind verschiedene Unternehmen des Ausbaugewerbes an einem Bauprojekt beteiligt, weshalb die gegenseitige Absprache und Rücksichtnahme wichtig ist. Allerdings haben die einzelnen Auftragnehmer nur beschränkt Einfluss auf die Baustelleneinrichtung und -planung. Ihnen ist die Ein- und Ausbringung der Ware oft selbst überlassen, was sich negativ auf die Baustelle und Beteiligten auswirkt. So werden dann teils schwerste Lasten beispielsweise notdürftig von Hand geschleppt und in die Stockwerke verteilt, weil keine andere Transportmöglichkeit verfügbar ist. «In dem Moment, in dem der Handwerker auf der Baustelle steht und merkt, dass kein vertikales Transportmittel vorhanden ist, ist man schon viel zu spät. Dann noch einen Lift zu organisieren, geht zwar technisch wie auch organisatorisch, ist aber mit erheblichem Mehraufwand verbunden», sagt Hanspeter Thommen. Er ist Spezialist für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz und als Lenkungsausschussmitglied respektive externer Berater für Optibau tätig.
Die Initiative Optibau wurde geschaffen, um die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten des Ausbaugewerbes zu verbessern und ihre körperlichen Belastungen zu reduzieren. Die Planungs- und Kommunikationshilfe gibt klare planerische Vorgaben und bringt auch wirtschaftliche Vorteile mit sich.
An der Initiative beteiligen sich mittlerweile namhafte Institutionen wie Bauenschweiz oder die Suva. Letztere hat zum Thema Lastentransport auf Baustellen einen Leitfaden erstellt, mit dem sich ein Logistikkonzept und die Projektplanung anhand einer Checkliste planen lässt.
«Wenn also jemand das Problem der Einbringung verbessern kann, dann muss dies vom Planer zusammen mit der Bauleitung geschehen, und zwar schon in der Planungsphase», sagt Thommen. Die Thematik mit dem Lift auf Baustellen tauche immer wieder auf. «Doch wenn man sowieso Innenlifte baut, könnten diese auch frühzeitig in Betrieb genommen werden, allerdings gibt es gewisse Hindernisse, wie wir feststellen mussten.» Einen Lift vorzeitig freigeben bedeute nämlich, dass nicht nur der Lift, sondern auch die Umgebung weitgehend fertig sein müsse und der Materialfluss gewährleistet sei. Es dürften keine Absätze im Treppenhaus existieren, der Überzug vor dem Lift müsse schon bestehen, zudem müsse dieser technisch ausgestattet, verkleidet und vorgängig abgenommen sein. «Da gibt es auch Bauherren, die sich sowas nicht antun wollen.»
Für Optibau sei es wichtig, diejenigen Leute anzusprechen, die eine Möglichkeit haben, rechtzeitig etwas in die Wege zu leiten. Und das sei eben nicht das Ausbaugewerbe, sondern der Planer. «Wir müssen Anreize und Möglichkeiten für den Planer schaffen, damit er das macht. Hier sind wir im Moment daran, den Normpositionenkatalog zu verbessern und Optibau darin zu integrieren. Planern respektive den Ausschreibenden wollen wir Leistungspositionen zur Verfügung stellen, damit sie Optibau ausschreiben können», sagt Hanspeter Thommen.
Auf der Website von Optibau ist die ge- naue Darstellung und Struktur ihres Nutzens publiziert. Die Suva, die eigenständig, aber in Rücksprache mit Optibau agiert, teilt die zentralen Aspekte für einen körperschonenden Lastentransport in die vier Gruppen Planung, bauliche Massnahmen, Transportmittel sowie das Befähigen ein. Sie werden nachfolgend erklärt.
Nutzen für alle
Von den Optibau-Massnahmen profitieren sämtliche am Bau beteiligten Akteure: Die kostenneutralen Massnahmen dienen Bauherren nicht nur zur Optimierung der Baustellenlogistik und -abläufe, sondern führen zu einer Qualitätsverbesserung am Bau mit weniger Mängeln bei gleichzeitiger Verbesserung der Arbeitssicherheit.
Für Planer werden die Planungsarbeit und die Koordination zwischen den beteiligten Unternehmen erleichtert, wodurch die Arbeit effizienter und verlässlicher wird.
Bauleiter profitieren von geordneten und kontrollierten Personen- und Materialströmen, weil diese automatisch geregelt sind. Daraus resultiert eine Reduktion von Baumängeln, womit finanzielle Einsparungen gemacht werden.
Lukrativ ist es für Unternehmen, weil sie von der zur Verfügung stehenden Infrastruktur profitieren. Sie können die Aufträge besser planen, zudem wird die Arbeitssicherheit verbessert und die körperliche Belastung reduziert.
Planung ist das A und O
Eine sorgfältige Planung erleichtert vieles, insbesondere das Bewältigen von schweren und vielen Lasten. Dazu gehört ein umfassendes Logistikkonzept, das die Verkehrswege, Lagerflächen, die Einbringung und Montage sowie den Rücktransport und die Entsorgung miteinbezieht. Ebenso wichtig ist ein Kommunikationskonzept, das sowohl die interne Kommunikation auf der Baustelle als auch die Abstimmung nach aussen sicherstellt. Darüber hinaus spielt die überbetriebliche Koordination eine entscheidende Rolle, etwa in Bezug auf die Nutzung von Gerüsten oder die Regeln für bauliche Hilfsmittel. Ein verbindliches und gut verständliches Vertragswerk schafft schliesslich die Grundlage für eine reibungslose Zusammenarbeit und einen effizienten Projektverlauf.
Bauliche Massnahmen
Wichtig ist, dass die Zufahrts- und Verkehrswege auf der Baustelle während der gesamten Bauzeit so geplant und abgestimmt sind, dass sie sich ohne Probleme befahren lassen. So kann das Material gerollt werden, was einen körperschonenden Lastentransport gewährleistet. Das bedingt auch, dass es Öffnungen für grosse Bauteile gibt, durch die sie einfach eingebracht werden können.
Einsatz von Transportmittel
Auf Baustellen gibt es oft Höhenunterschiede, die überwunden werden müssen. Dafür braucht man während der gesamten Bauzeit geeignete Hebe- und Transporthilfen, die von allen genutzt werden können. Dazu zählen Baustellenkräne, Seilwinden, Fassadenlifte, Innenlifte oder Personenaufzüge. Für den Transport auf gleicher Höhe eignen sich Hilfsmittel wie Palettenwagen oder Sackrollis. Problematisch sind kleine Höhendifferenzen, die meist mit notdürftig angelegten Brettern überbrückt werden. Dies ist nicht zu empfehlen, da die Gefahr gross ist, beim Betreten das Gleichgewicht zu verlieren und abzustürzen oder dass die Bretter unter Last brechen.
Befähigt sein, Massnahmen umzusetzen
Bauherren, Planende und Bauleitende müssen die Grundlage schaffen, körperschonen- de Lastentransporte geeignet zu planen und auch auszuschreiben. Die Instrumente dazu, wie die praktischen Umsetzungshilfen und das Logistikkonzept von Optibau, helfen hierbei. Sämtliche am Bauprojekt beteiligte Unternehmen und Mitarbeiter müssen befähigt sein, dieses Konzept und die vorgesehenen Transport- und Hilfsmittel korrekt einzusetzen.
Auf Grossbaustellen funktioniert’s
Die Ziele von Optibau seien laut Thommen, dass am Ende eine möglichst gute und rentable Geschichte daraus wird. Dass die involvierten Parteien zufrieden sind, eine gute Zusammenarbeit stattfindet, es keine Unfälle gibt und keine Mehraufwände entstehen. «Und dort sind wir im Moment halt noch nicht angelangt, gerade was kleine bis mittlere Baustellen betrifft. Bei Grossbaustellen, wo das Bauobjekt mehrere Millionen Franken kostet, wird Optibau jetzt schon vielfach angewendet», sagt er.
Baustelle auf 113 Metern
Zweifelsohne lässt sich das Wohnbauprojekt «Three Points» in Dübendorf ZH, das diesen Sommer fertiggestellt wurde, als Grossbaustelle bezeichnen. Die drei Türme gelten aktuell gar als die höchsten Wohnhäuser der Schweiz – der höchste Turm allein misst 113 Meter. Den anspruchsvollen Innenausbau konnte die Schäfer Schreinerei AG in Dielsdorf ZH ausführen. «Die Herausforderung bestand schon ganz am Anfang darin, dass wir mit jedem der über 260 Wohnungskäufer Verkaufsgespräche führen mussten, teils Zweit- und Drittgespräche, womit schliesslich rund 1000 Meetings stattfanden», sagt Lukas Vatter, Geschäftsführer der Schäfer Schreinerei AG. Dabei gleicht keine Wohnung der anderen, da den Käufern bei der Materialisierung freie Hand gelassen wurde. Zusätzlich zu den Stockwerk-Eigentumswohnungen sind die unteren 11 Etagen in den Türmen jeweils mit 180 Businessappartements ausgestattet, deren Inneneinrichtung ausgestaltet geliefert wurde.
Die Organisation und Koordination während der 20-monatigen-Bauphase verlief indes stets nach Plan. «Zwei Wochen, bevor wir montierten, hielten wir mit der Bauleitung eine Sitzung ab, in der wir die Anlieferungsmöglichkeiten anschauten und die Tage definierten, in denen wir liefern konnten», sagt Matthias Bünter, Projektleiter. Dass die Montage so reibungslos über die Bühne ging, sei auch der ausgeklügelten Bauplanung zu verdanken: So wurde vorgängig die Tiefgarage fertiggestellt, damit die Mitarbeiter ihre Fahrzeuge dort parkieren konnten, ausserdem waren Zu- und Abfahrtswege eingezeichnet sowie die Lagerplätze definiert.
«Es ist schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass bei einem Projekt dieser Grösse und Komplexität der vorgegebene Zeitplan auf den Tag genau aufging», sagt Vatter resümierend. Erstaunlich ist auch die beeindruckende Menge an verbautem Material: So wurden in den drei Türmen insgesamt über 150 000 Teile verbaut, darunter 7000 Schrankelemente, 500 Türen, 5500 Schubladen und 18 000 Topfbänder.
Manchmal gehtʼs auch in die Luft
Dass die Montage auch unkonventionell geht, zeigt ein Auftrag an der Stadtgrenze zu Zollikon am Zürichsee, den die Firma Schreiner48 AG ausführen durfte: Bei einem Einbruch in eine Wohnung ging dort ein massives Isolierglas in die Brüche, das ersetzt werden musste. Beim beschädigten Fenster handelte es sich um eine raumhohe Scheibe mit Dreifachverglasung. Wegen des mehr als 200 Kilogramm schweren Glases und des engen Treppenhauses war klar, dass Tragen keine Option ist. Auch das Glas mittels Kran zu befördern, kam nicht in Frage, da die Entfernung von einem möglichen Stellplatz zu der Wohnung schlichtweg zu gross war.
Schliesslich gab es noch eine Möglichkeit: Den Glasaustausch per Helikopter durchzuführen. «Es war die beste und kosteneffizienteste Option», sagt Teamleiter Samuel Gonzalez. Zusammen mit Fuchs Helikopter wurde die spektakuläre Aktion realisiert. «Wir haben uns zeitlich auf den Heli ausgerichtet und alles perfekt für die Übergabe vorbereitet», so Gonzalez. Man müsse aber auch flexibel sein, da sich die Slots des Helis spontan ändern können. Mit einer neuen Scheibe am Glasbock kam der Heli dann nach einer kurzfristigen Terminverschiebung angeflogen. Vom ganzen Spektakel bekamen die Nachbarn nicht viel mit, da der Transport keine zehn Minuten dauerte.
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